Man hofft auf einen guten Ausgang. Aber man weiß genau , was jetzt folgt ist nicht gut. Jetzt gibt es eine dicke Enttäuschung, eine Niederlage.
Ich erklärte unserem Sozialarbeiter noch vorher im Auto was er alles sagen soll.
Er bemerkte meine Anspannung ganz bestimmt.
Und ich dachte schon an das Telefonat mit Deutschland heute Abend. Ich würde erklären, dass es „noch nicht“ geklappt hat. Das ich noch mehr Zeit benötige. Das in Rumänien halt alles länger dauert.
Manche Situationen sind unlösbar und manche Fälle erscheinen auch hoffnungslos.
Der Anhänger war voll gepackt, zu Sicherheit. Ich hoffte so sehr ihn ausladen zu dürfen. Niemand wusste das wir kommen. Die tollen Sachen, teure Kinderkleidung, Sachgegenstände, Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Windeln holperten sicherlich gut hin und her auf den Schotterpisten. Und sicherlich würde ich alles wieder mitnehmen. Kurze Ketten, kein Wasser, kein Futter und drei Hunde welche mich anschauen. Sicher würde ich wieder in diese Knopfaugen schauen und denken, dass ich total bekloppt bin. Glaubte ich wirklich mit meinen Auflagen und Forderungen stets und immer durch zu kommen? Gibt es nur schwarz und weiß? Und ich westfälischer Sturrkopf muss immer recht behalten, oder?
Die schlimmsten Niederlagen sind die eigenen Niederlagen. Man muss sich selber seine Fehler oder sein Versagen eingestehen.
Fehler habe ich ausreichend. Der Herrgott hat mich gut beschenkt mit Fehlern. Aber zumindest denke ich darüber nach. Bin auch mit .48 noch lernfähig und versuche mich dauernd selbst zu analysieren. Das Ergebnis meiner Selbstanalysen ist schockierend, da ist noch Luft nach oben.
Ich selbst wollte mich nicht als Freund haben, gedanklich immer in der Pferdeklinik.
Aber ich wurde nicht nur mit so üblen Eigenschaften wie „häufiges beleidigt sein“,
„Worte im Mund umdrehen“ und „austeilen aber nicht einstecken können“ beschenkt. Nein, der Herrgott hat mir auch besondere Fähigkeiten verliehen. Ich bin allergisch auf Pferde und Hundehaare, verfüge über die Fähigkeit Asthmaanfälle zu bekommen und besitze einen großen Speicher an Bauchfett. Durch meine ausgeprägte und attestiere Konzentrationsstörung bin ich wie James Bond, nur umgekehrt.
Wer und was sollte mich also aufhalten?
Eine Niederlage akzeptiere ich nicht. Doch nun sollte genau diese kommen.
Wir waren am Zielort angekommen, schäbige Gegend. Armut kann man sehen und riechen. Es stinkt nach verbrannten Müll. Irgendwo muss wohl jemand Plastik verbrennen, dachte ich mir so.
An meinen Oberschenkeln rieb ich mir den Handschweiß ab. Meine Hände waren nervös. Ich überlegte mir Ausreden. Nein, ich überlegte nach Erklärungen und Ursachen. Das klingt besser als das Wort Ausrede. Ist aber in meinem Fall das selbe.
Mein Handy ist bereits im Filmmodus und ich werde nur für unsere Förderer und Mitglieder eine Erklärung abgeben müssen.
Einfach kurz und knapp , dachte ich mir so.
Gibt halt 7 Likes weniger und 3 Beschimpfungen mehr.
Ich zog am Hebel der Tür und fühlte mich als ob ich zu einem Boxkampf in den Ring steigen würde. Meine Pumpe schnellt hoch. Ich öffne das Gartentor und betrete das Grundstück. Einer der drei Kettenhunde kommt angerannt und springt mich an.
Ich erinnere mich gut an seine eiserne Kette, kurz und schwer.
‘Er wedelt, ist glücklich und ich bin es auch. Meine Erleichterung ist groß. Die Anwohner kommen aus ihrem Häuschen. Sie begrüßen mich freundlich. Wir laufen über das Grundstück. Kein Hund ist mehr an der Kette. Es gibt keinen Kettenhund mehr. Ich könnte diesen Satz ständig wiederholen. Hier gibt es keinen Kettenhund mehr. Ich bin sprachlos, mein Text im Video ist kurz. Ich ringe nach den passenden Worten. Es hat funktioniert. Ich fühle mich nicht als Sieger, bin einfach nur glücklich. Und wenn demnächst der neue Film rauskommt dauert die Szene nur zwei oder drei Minuten. Für den Zuschauer vermutlich unspektakulär, für mich ein Durchbruch. Und für diesen Augenblick hatte ich lange gearbeitet.
Wir waren hart geblieben. Damals brauste ich mit den tollen Sachen wieder ab.
Erklärte deutlich, dass man unsere Auflagen erfüllen muss um humanitäre Hilfe zu erlangen. Alle Kinder müssen zur Schule gehen, täglich. Guter Umgang mit den Tieren und den Kindern. Kettenhunde sind nicht tolerierbar.
Nach unserem Abflug damals kontrollierte unser Tierarzt Dr. Alex oft diese Familie.
Redete und wirke ein so gut er konnte.
Seinerzeit veröffentlichte ich diese schwierige Situation in einem Video. Ich erhielt einige Mails. Ich wurde aufgefordert die Hunde frei zu kaufen.
Und ganz ehrlich, zum ersten Mal dachte ich wirklich darüber nach.
Wohl wissend das dann anschließend andere Hunde dort an der Kette hängen und dahin vegetieren, also auch keine echte Lösung.
Ich war sehr verzweifelt.
Es war ein schöner Tag. Die Dorflehrerin bestätigte mir den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder. Und viele tolle Sachspenden wurden an wirklich bedürftige Menschen übergeben welche sich die Hilfe nun auch verdient hatten . Unsere Auflagen wurden letztendlich umgesetzt, das Eis ist gebrochen. Und zum ersten Mal in diesem Jahr freute ich mich auf Weihnachten. Es gibt immer Grund zur Hoffnung. Und die Welt wird besser wenn wir beginnen sie besser machen.
Markus Raabe